Sterbliche Überreste von Opfern des Spiegelgrundes beigesetzt Historische Aufarbeitung eines der dunkelsten Kapitel der österreichischen Zeitgeschichte
Am 1. Dezember 2025 wurde am Wiener Zentralfriedhof eine Gedenkveranstaltung anlässlich der Beisetzung aufgefundener Überreste von Opfern der nationalsozialistischen Morde am Spiegelgrund abgehalten. Diese waren bei Bestandsaufnahmen an der Medizinischen Universität Wien und im Naturhistorischen Museum entdeckt worden und konnten bereits bekannten (und beigesetzten) Opfern der nationalsozialistischen Morde am Spiegelgrund zugeordnet werden.
Die symbolische Gedenkveranstaltung fand drei Tage nach der eigentlichen Beisetzung statt, die im kleinsten Kreise erfolgte. Die Forschungsarbeit zur Identifikation einiger der beigesetzten Opfer wurde vom BMWKMS veranlasst. Ein Teil der beigesetzten Opfer wurde von Bediensteten des Kulturministeriums identifiziert, andere Opfer wiederrum durch die Medizinische Universität Wien gefunden und identifiziert.
Raum für öffentliches Gedenken
An der Gedenkveranstaltung nahmen neben Vizekanzler Andreas Babler und Innenminister Gerhard Karner auch Angehörige eines Opfers des Spiegelgrundes, darunter eine Teilnehmerin, die eigens aus den USA angereist war, sowie Vertreterinnen und Vertreter der MedUni Wien und des Naturhistorischen Museums Wien teil. Auch etwa 70 geladene Gäste, darunter Vertreter der IKG und weiterer Institutionen, waren anwesend. Ziel der Gedenkfeier war, den betroffenen Opfern erneut und sichtbar Respekt zu erweisen, die historische Verantwortung klar zu benennen und den Angehörigen Raum für öffentliches Gedenken zu geben.
Vizekanzler Andreas Babler: "Was am Spiegelgrund passiert ist, ist für uns unvorstellbar und dennoch geschehen. Es ist unsere Pflicht an die Gräuel zu erinnern und den Opfern zu gedenken. Kinder wurden ihren Familien entrissen. Es waren Kinder, denen man tödliche Dosen Medikamente einflößte und deren gemarterten Körper als Forschungsobjekte missbraucht wurden, weil ihre Erscheinung, ihr tatsächlicher oder zugeschriebener Geisteszustand nicht der Norm einer menschenverachtenden Ideologie entsprach."
Vizekanzler Babler und Innenminister Karner dankten dem Naturhistorischen Museum und der Medizinischen Universität Wien, der Kommission für Provenienzforschung im Kulturministerium, dem Nationalfonds und dem Dokumentationsarchiv sowie der die Veranstaltung ausrichtenden Abteilung für historische Angelegenheiten im Innenministerium für die vertrauensvolle Zusammenarbeit, die ein gemeinsames Gedenken möglich machten.
Der für Kriegs- und Opfergräber zuständige Innenminister Gerhard Karner:
"Heute gedenken wir den rund 800 Kindern und Jugendlichen, denen zwischen 1940 und 1945 auf dem Wiener Spiegelgrund auf grausame Weise das Leben genommen wurde. Ihre Schicksale blieben viel zu lange anonym, ihre persönliche Geschichte blieb lange unerzählt. Die Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels der österreichischen Zeitgeschichte ist eine notwendige und große Verantwortung."
Hintergrundinformation
Der "Spiegelgrund" war eine sogenannte Jugendfürsorgeanstalt im 14. Bezirk, in der in den Jahren 1940 bis 1945 rund 800 geistig oder körperlich behinderte Kinder ermordet wurden. Die Leichen wurden u.a. zur medizinischen Forschung bereitgestellt, weshalb die Medizinische Universität Wien und das Naturhistorische Museum Restbestände von alten Präparaten gefunden haben.
Bereits 2002 und dann nochmals 2012 wurden Opfer am Zentralfriedhof beigesetzt. 789 Kinder sind dort begraben. Das Bundesministerium für Inneres ist für den Erhalt und die Pflege der Gräber dieser Opfer des verbrecherischen NS-Regimes im Rahmen der Kriegs- und Opfergräberfürsorge zuständig, wofür die Abteilung für historische Angelegenheiten unter der Leitung von Stephan Mlczoch verantwortlich ist.
Im Bundesministerium für Kunst und Kultur ressortiert die Kommission für Provenienzforschung. Durch die Forschungen der Kommission, unter der Leitung von Pia Schölnberger, konnten einige nun bestattete Opfer des Spiegelgrundes identifiziert werden. Andere Opfer wurden von der Medizinischen Universität Wien im Zuge eines Forschungsprojekts zur Hirnforschung im Nationalsozialismus aufgefunden und identifiziert.